Die EU will die neuen Kryptowährungen nicht verbieten, sie aber den gleichen strengen Regeln wie traditionelle Banken und Tech-Unternehmen unterwerfen.
Von
Detlef Drewes
Eine vergessene Rechnung von München nach Hamburg in Echtzeit zu begleichen, ist inzwischen kein Problem mehr. Den gleichen Betrag ins deutlich nähere Innsbruck zu transferieren, kann derweil schon mal Tage dauern. Gegen diese Realität setzt die Europäische Kommission ihre Pläne für neue Regeln auf dem Finanzmarkt. „Die Zukunft des Finanzsektors ist digital“, sagte Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrowski in Brüssel. „Wir wollen den digitalen Transformationsprozess aktiv gestalten und gleichzeitig potenzielle Risiken minimieren.“
Die Europäische Union will neue Finanzinstrumente fördern
Tatsächlich sind Kryptowährungen inzwischen weltweit verbreitet und haben sich einen nennenswerten Milliardenmarkt erobert, bewegen sich allerdings zumindest in einer rechtlichen Grauzone. Das ist Ausgangslage und Motivation zugleich, weshalb sich die Europäische Gemeinschaft mit den jetzt vorgestellten Regeln zum weltweiten Vorreiter für die Regulierung von digitalen Währungen wie Bitcoin und Libra aus dem Hause Facebook aufschwingen. Neue Finanzinstrumente sollen also nicht verboten, sondern als Innovation gefördert werden, hieß es in Brüssel. Dabei ist geplant, die Anbieter den gleichen Wettbewerbsbedingungen zu unterwerfen wie traditionelle Banken oder andere Technologieunternehmen.
Das Motto heißt: „Gleiche Aktivitäten, gleiche Risiken, gleiche Regeln“. Die Betreiber sogenannter Kryptowährungen müssen demnach innerhalb der EU zugelassen sein und ihre Dienste auch in der gesamten Gemeinschaft anbieten. Dabei wird der Grundsatz gelten: Wer in einem Staat registriert wurde, hat eine Betriebserlaubnis in der gesamten Union. Die Sicherheitsvorkehrungen für die Unternehmen entsprechen denen der analogen Geldhäuser: Es muss Eigenkapital im gleichen Umfang vorhanden sein. Vermögenswerte sollen verwahrt werden. Für Anleger ist ein obligatorisches Beschwerdeverfahren nötig, und jeder Kunde wird gegenüber dem Emittenten die Rechte haben, die er auch bei seiner traditionellen Hausbank hat. Der Digitalverband Bitkom sprach von „guten Chancen“ für die neuen Währungen wie Bitcoin, Libra & Co. Voraussetzung dafür sei, dass „die EU den bestehenden Regulierungs- und Flickenteppich bei Kryptowerten harmonisiert und damit eine weltweite Vorreiterrolle übernimmt“. Genau das hat Brüssel vor.
Bitcoin: Einsatz nur mit hohen Sicherheitsvorkehrungen
Zunächst soll aber in einem Pilotprojekt, niedlicherweise „Sandkastenkonzept“ genannt, geprüft werden, wie sich Transaktionen mit digitalen Finanzinstrumenten tätigen und abwickeln lassen. Das ist die Schnittstelle zu den beschleunigten Überweisungen innerhalb Europas. Die Kommission sieht in einer zügigen Abwicklung von Überweisungen eine Möglichkeit, um einen allzu ausgeprägten Siegeszug von Währungen wie Libra zu dämpfen. Die Kunden würden profitieren.
Tatsächlich schafft die EU damit als erster großer Wirtschaftsraum einen verbindlichen Rechtsrahmen, innerhalb dessen mit dem neuen Geld gearbeitet werden kann. Ob das funktioniert, hängt nach Ansicht von Experten auch davon ab, ob es gelingt, die Sicherheitsanforderungen an Anbieter so hoch zu schrauben, dass Cyberdiebstähle, Hacker-attacken, Geldwäsche und andere Formen von Kriminalität weitgehend ausgeschlossen werden. Außerdem müssen der Verbraucherschutz ausgebaut und alle Haftungsfragen geklärt sein. Genau diese Bedenken hatten bisher auch die Bundesregierung sowie vier weitere EU-Staaten geäußert und sich deshalb zunächst gegen eine Zulassung von Kryptowährungen ausgesprochen.
Die ersten Reaktionen fielen durchaus positiv aus. Der Europaabgeordnete Markus Ferber (CSU), Finanzexperte der christdemokratischen Fraktion, kommentierte den Vorstoß mit den Worten: „Es ist angemessen, dass Produkte wie Libra, die ein besonderes Risiko für die Finanzstabilität darstellen, auch besonders streng reguliert werden.“ Der sozialdemokratische EU-Parlamentarier Joachim Schuster betonte: „Ziele der neuen Vereinbarungen müssen sein, die wirtschaftliche Stabilität und das Geld der Steuerzahler ebenso zu schützen wie die Interessen von Kleinanlegern, Rentnern und Verbrauchern.“
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