In unserer Reihe Capital erklärt geben wir einen komprimierten Überblick zu aktuellen Wirtschaftsthemen. Diesmal: Bitcoins – mit John Stanley Hunter, Redakteur bei Finance Forward, dem Fintech-Portal von Capital und OMR.
Der Bitcoin ist die bekannteste Kryptowährung. Was genau ist ein Bitcoin technologisch gesehen?
Der Bitcoin war die erste Kryptowährung, die es überhaupt gab, sie wurde 2008 entworfen und ging im Januar 2009 an den Start. Die Idee dahinter war, eine dezentralisierte Währung zu schaffen, die nur digital existiert und nicht an eine Zentralbank gekoppelt ist. 2008 war die Wirtschaftskrise, viele Leute hatten den Glauben an das Fiatgeld verloren. Die Überlegung nach einer Alternative kam auf. Der Bitcoin vereint nun den Gedanken einer dezentralisierten Währung, die aber trotzdem eine Form von Sicherheit bieten soll. Dafür wurde die Blockchain erfunden. Alle Transaktionen sind nachverfolgbar, aber gleichzeitig anonymisiert. Alles ist einsehbar, man weiß aber nie, welche Transaktion von wem kam.
Wie genau funktioniert eine Transaktion?
Man hat ein sogenanntes Wallet. Inzwischen gibt es viele verschiedene Walletanbieter. Dazu hast du eine bestimmte individuelle Adresse, eine lange Reihe aus Zahlen und Buchstaben. Von der aus kannst du Bitcoin verwahren, überweisen oder erhalten. Diese Adresse kann jeder einsehen, wer aber dahintersteht, ist anonym. Aber man kann für jeden Bitcoin, beziehungsweise für jeden Wert einsehen, wo er herkommt. Jede Transaktion ist also öffentlich zugänglich. Auch, wenn man sich wohl erstmal einlesen muss, um sie zu verstehen. Das ist der Ausgleich zwischen Sicherheit, die auf jeden Fall geboten werden muss, wenn es um Transaktionen von „Geld“ geht, aber auch der Wahrung von Anonymität. Viele sehen das als Vorteil der Kryptowährung.
Wir haben jetzt 11 Jahre hinter uns seit Beginn des Bitcoins, in denen sich sehr viel getan hat. Sehr viele Menschen machen sich viele Gedanken um die Zukunft von Finanzen und unserem Geldsystem, das sehe ich als positive Entwicklung.
Die Technologie dahinter schafft die Möglichkeit für Innovationen, es sind tolle Projekte aus dem ganzen Komplex entstanden. Das alles wäre nicht möglich gewesen, wenn es Bitcoin nicht gegeben hätte.
Was sind die Schattenseiten von Bitcoins?
Häufig kommt man in der Bitcoin-Welt mit einem Verschwörungstheorie-Ansatz in Berührung. Der Vorwurf, die Regierung gehe schlecht mit unserem Geld um und könne ja jederzeit den Wert ändern oder neues Geld drucken und so weiter. Die Verbindung zwischen dem klassischen libertären Gedanken, der Nutzern des Bitcoins anhaftet hin zu Verschwörungstheorien dieser Art wird recht schnell gezogen. Das ist zumindest meine persönliche Einschätzung. Daher gibt es an der ganzen Kryptowährung natürlich auch Aspekte, die man kritisieren kann. Aufgrund derer, die am lautesten schreien.
Generell hat das, was ich als positive Entwicklung beschrieb, auch negatives nach sich gezogen. Etwa die Finanzierung von Terrorismus, da lief viel über Kryptowährung, weil es eben anonymisiert und unreguliert abläuft. Banken haben rechtsextremen Gruppierungen wie der Identitären Bewegung ihre Spendenkonten gekündigt. Diese konnten dann für Spendenwillige ihr Kryptowallet angeben und sich so dennoch weiter finanzieren lassen.
Viele Menschen sind vor allem 2017 um ihr ganzes Geld gebracht worden. Als jeder Mensch, der ein wenig IT-Verständnis hat, einen ICO durchführen, also eine eigene Kryptowährung entwickeln und verkaufen konnte, hat das einige Menschen kurzfristig sehr reich gemacht. Und viele auch sehr arm.
Nutzerfreundlichkeit noch ausbaufähig
Wie steht es rechtlich?
Es gibt noch keine abschließende Antwort auf die Frage nach der rechtlichen Lage, da sich der Markt sehr schnell entwickelt und verändert. Nahezu jeden Tag werden mit den unterschiedlichsten Ansätzen neue Kryptowährungen erfunden. Erste vage Regelungen seit 2018 zur Versteuerung gibt es aber in Deutschland und den USA. Zuerst muss man sich ja mal überlegen, als was man einen Bitcoin überhaupt klassifiziert. Ist das eine Währung oder ist das eine Geldanlage, ein Wertpapier? Diese Definition ist noch gar nicht offiziell festgelegt, da würde man ganz verschiedene Antworten von Experten erhalten. Natürlich haben viele Leute in Bitcoin investiert, das macht ihn für sie zur Anlage. Ursprünglich ist er aber als Währung gedacht. Daher kam diese Vorstellung: Wenn du ein Bitcoin weniger als ein Jahr hältst und dann wiederverkaufst, musst du es versteuern. Das ist eine Spekulations- beziehungsweise eine Haltefrist. Alles, was unter ein Jahr fällt, klassifiziert der Gesetzgeber als Spekulationsobjekt. Nach einem Jahr wird der Handel dann steuerfrei.
Selbst in den Regulierungsbehörden kann man dazu aber noch keine wirkliche handfeste Aussage treffen, das ist alles noch in der Entwicklung.
Hat der Bitcoin das Potenzial, „normales“ Geld irgendwann abzulösen?
Das Potenzial ist auf jeden Fall da. Einige Fragen müssen wie gesagt noch geklärt werden. Derzeit machen sich so viele Menschen zu dem Thema Gedanken, wenn da die ein oder andere Frage geklärt wurde und der Umgang mit dem Bitcoin auch rechtlich klar ist, kann das durchaus ein Vorreiter für eine neue Art der Währung sein. Hinter der Erfindung von Krypowährungen steht ja sowieso die Frage, wie lange das mit dem Fiat-Geld noch funktionieren kann. Jenes müsste ja aber auch gar nicht abgelöst werden, auch eine Ergänzung um die Kryptowährung ist denkbar. Bestes Beispiel ist Libra von Facebook. Hier wurde auf eine Massenadaption gepocht, was auch große Probleme mit sich brachte.
Man merkt jedenfalls, dass die großen Player das Thema ernst nehmen. Unternehmen und sogar Länder sprechen darüber, vielleicht mal eine staatliche Kryptowährung einzuführen. An dem Punkt merkt man: das Ganze hat Potenzial, sich einmal durchzusetzen. Ich glaube aber nicht, dass wir am Ende alle mit einem Bitcoinwallet herumlaufen. Da müsste man noch gewaltig an der Nutzerfreundlichkeit arbeiten.
Ist Altersvorsorge mit Bitcoin möglich?
Davon würde ich dringend abraten. Generell halte ich Kryptowährung als Geldanlage für eine schlechte Idee. Ich würde raten, für Kryptowährung nur das einsetzen, was man auch bei einer Sportwette oder einem Pokerspiel zu setzen bereit wäre. Wie die meisten Kryptowährungen ist der Bitcoin wahnsinnig volatil. Ihn also als Form der Geldanlage zu sehen halte ich für viel zu riskant. Das haben wir 2017 gesehen: Leute haben ihr Haus verkauft und das Geld in Bitcoin gesteckt – und standen am Ende ohne alles da. Deshalb: Nur das in Bitcoin stecken, was ich selber bereit bin, notfalls zu verlieren. Ein wenig spielen kann man damit sicher – aber in Richtung Altersvorsorge würde ich nicht denken.
Das nächste Bitcoin-Halving steht bevor
Was sollten Anfänger im Umgang mit Bitcoin beachten?
Das kommt darauf an, was man will. Ich würde mich nicht verrückt machen lassen. Das Thema Bitcoin ist emotional sehr aufgeladen. Wenn man „Bitcoin“ googelt und schaut, welche Experten sich dazu am lautesten äußern, merkt man, dass das meist Menschen mit großem Eigeninteresse sind. Das lässt natürlich eine emotionale Komponente mit einfließen. Davon sollte man sich nicht irritieren lassen, sondern besser unaufgeregt auf die Sache schauen – und vor allem längerfristig! Wie hat sich das alles in den letzten zehn Jahren entwickelt? Was ist das ganze System eigentlich und wie muss es sich entwickeln, um besser zu werden? Es wäre falsch, sich Tag für Tag vom Bitcoinpreis verrückt machen zu lassen. Also nicht ans schnelle Geld durch Bitcoin denken. Das wäre der falsche Ansatz.
Warum steigt das Interesse am Bitcoin jetzt gerade wieder?
Es gibt mehrere Gründe dafür. Einer ist, dass im Mai das nächste „Bitcoin-Halving“ ansteht. Man kann ja nicht nur Geld verdienen, indem man Bitcoin kauft und teurer wieder verkauft. Tatsächlich kann man Bitcoin auch selber „schürfen“. So, wie man Gold geschürft hat, nur eben digital. Dafür lässt man Rechner mathematische Aufgaben lösen. Hat der Rechner das richtig gemacht, hat man einen Bitcoin. Dieser Vorgang wird immer schwieriger und langwieriger. Insgesamt gibt es nämlich nur ein begrenztes Kontingent von 21 Mio. Bitcoin. Mehr wird es auch nie geben. Diese Zahl wurde in der Ursprungstechnologie festgelegt und soll eine Inflation verhindern. Jetzt gerade sind wir bei etwas mehr als 18 Mio., die schon geschürft wurden. Der Rest ist noch zu berechnen. Während das 2009 noch relativ easy vom Rechner zuhause aus möglich war, braucht es inzwischen ganze Rechencenter dafür, viele davon sind mittlerweile in Asien.
Wer diese Rechnungen durchführt, bekommt dafür einen Reward. Pro Einheit waren das bisher 12,5 Bitcoin. Im Mai, wenn das Halving ansteht, sind es dann plötzlich nur noch 6,25 Bitcoin. Das ist ebenfalls in der Technologie festgelegt: Alle vier Jahre halbiert sich dieser Reward, der mal mit 100 startete.
Die letzten Male steig der Preis nach den Halvings immer. Nun kann man gespannt sein, ob das wieder der Fall sein wird.